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Lymphologie: Im Spannungsfeld von Wissenschaft und Praxis

Mit frischen Impulsen die Zukunft gestalten

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Gemeinsam innovative Themenfelder vorantreiben und die Versorgung von Patienten auf ein neues Level heben – das war das Ziel der digitalen medi Veranstaltung „Lymph und Lunch“ im November 2022. Bereits zum zweiten Mal fand das wissenschaftliche Event statt für Ärzte, Fachhändler und Physiotherapeuten. Rund 700 Teilnehmer folgten live den aktuellen wissenschaftlichen Beiträgen und praxisrelevanten Impulsvorträgen. Die Schwerpunkte der diesjährigen Veranstaltung: Erstens wie sich durch ein ganzheitliches Therapiekonzept die Lebensqualität von Patienten erheblich verbessert. Zweitens welche positiven Auswirkungen die Akademisierung von medizinischen Gesundheitsberufen auf die Lymphologie hat. Und drittens welche Chancen sich durch die digitale Transformation für das Gesundheitswesen ergeben.

„Die Rückmeldungen waren durchweg positiv – sogar aus dem europäischen Ausland wie Mallorca hatten sich Teilnehmer zugeschaltet“, resümiert Klaus Herold, Leitung Department Compression bei medi und Teil des Moderatorenteams von „Lymph und Lunch“. „Die große Bandbreite der Themen aus Medizin, Wissenschaft und Praxis rund um die Lymphologie kam besonders gut an. Deshalb planen wir, die Reihe zukünftig fest in unser Veranstaltungs-Portfolio aufzunehmen. Wir merken immer wieder, wie sehr allen Leistungserbringern die optimale Versorgung der Patienten am Herzen liegt.“

Das Lipödem in Abgrenzung zur Adipositas

Lipödem und Adipositas treten oft gemeinsam auf. Jedoch ist nicht jede Adipositas immer ein Lipödem und andersherum nicht jedes Lipödem ist immer eine Adipositas. „Es ist eine Herausforderung, vielen Ärzten fällt die Diagnose nicht leicht“, weiß Dr. Michael Gerstorfer, Facharzt für Chirurgie, Gefäßchirurgie und Notfallmedizin, Lymphologie, und Leiter der Bergman Clinics MVZ Eggenfelden. „In unserem Klinikalltag sehen wir Patienten mit einer Fehldiagnose. Die gute Nachricht ist allerdings, das Bewusstsein für die Erkrankung steigt und die korrekte Diagnosestellung erfolgt nun früher – wenngleich wir immer noch von Monaten oder Jahren sprechen.“ Anhand zweier Beispiele aus der Praxis beschreibt Dr. Gerstorfer die Unterschiede von Adipositas und Lipödem in der Diagnose – und zieht Bilanz nach einem Jahr Therapiebegleitung: „Je nach Indikation kann eine Liposuktion gute Ergebnisse bringen“, erläutert der Experte „Jedoch ist eine operative Therapie oft zu kurz gegriffen und ein ganzheitlicher konservativer Therapieansatz mit einer flachgestrickten Kompressionsstrumpfversorgung zielführender. Unbedingt beachten: Die korrekte Anwendung und Pflege der Versorgung sollten vom Fachpersonal geschult werden. Ergänzend ist eine regelmäßige manuelle Lymphdrainage sinnvoll plus sportliche Betätigung und eine Ernährungsumstellung. Auch eine begleitende Psychotherapie kann von Nutzen sein.“

Der neue Stellenwert der Physiotherapie beim Lipödem

Erfahrungen, die Jocelyn Dietrich in ihrem Vortrag ebenfalls bestätigt. Die Fachlehrerin für Lymphologie und Geschäftsführerin von Physiotherapie Dietrich & Traub in Saarbrücken führte eine Untersuchung mit Lipödem-Patientinnen durch. Das Ziel: Ansatzpunkte zu finden, wie Physiotherapeuten Betroffene noch gezielter unterstützen können. Neben einer manuellen Lymphdrainage absolvierten ihre Patientinnen zweimal pro Woche ein High Intensity Training. Die Erfolge im Gegensatz zur Kontrollgruppe:

  • Bei allen Patientinnen konnte der Umfang nachweisbar reduziert werden.
  • Anders als vor Beginn des Trainings verspürte keine Patientin mehr Schmerzen – auch orthopädische Probleme konnten erheblich gelindert werden.
  • Die Gruppe war insgesamt agiler und gab an, mehr Freude am Leben zu verspüren.
  • Das Selbstbewusstsein und die Einstellung zum eigenen Körper verbesserten sich signifikant.


Jocelyn Dietrich fasst zusammen: „Wir müssen Patienten als Ganzes betrachten, aber auch jedes Krankheitsbild für sich einzeln physiotherapeutisch behandeln. Vor allem brauchen wir aufgeklärtere Patienten, die umfassend über ihre Erkrankung sowie Mythen und Fakten informiert sind; hier sind auch Physiotherapeuten gefragt. Nur so erreichen wir, dass Betroffene mutiger und selbstbewusster werden – und verstehen: Sie sind der Erkrankung nicht ausgeliefert, sondern können im Alltag aktiv Einfluss nehmen.“

Studien zur Lebensqualität bei Lymphödemen

Auch ein Lymphödem ist eine chronische Erkrankung, die das Leben der Betroffenen stark verändert – mit erheblichen Einschränkungen im Alltag, wie Dr. Christine Blome aus ihrer Arbeit am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf weiß. Als Psychologin und Leiterin „Patient-Reported Outcomes“ beschäftigt sie sich intensiv mit der Perspektive der Patienten, erstellt und wertet Fragebögen aus. Ihre Erkenntnisse: In erster Linie leiden Betroffene emotional. Sie schämen sich aufgrund ihrer Erkrankung, sind oft mit ihrem Körper sowie ihrem Liebesleben unzufrieden und nur wenig zuversichtlich. Ähnlich schwerwiegend stufen Betroffene körperliche Beeinträchtigungen und Schmerzen ein – auch der zeitliche Aufwand für eine optimale Therapie ist belastend. (1) „Unter dem Strich empfinden Menschen mit Lymphödem ihre Lebensqualität als stark eingeschränkt“, berichtet Dr. Blome. „Doch nicht nur die Lebensqualität kann mit standardisierten Fragebögen gemessen werden, auch Therapieziele. Aktuell läuft eine entsprechende Validierungsstudie bei Menschen mit Varikosis, um zukünftig noch patientenorientierter versorgen zu können und die Adhärenz bei der Kompressionsversorgung zu erhöhen.“

„Der klügere Strumpf gibt nicht nach!“ – Erfolgsgeschichte MAK

Jedes Jahr werden in der Lymphklinik am Landeskrankenhaus Wolfsberg rund 1.000 Patienten mit Lymphödemen stationär im Rahmen einer dreiwöchigen Reha behandelt. Dr. Christian Ure ist Leiter der einzigen lymphologischen Klinik in Österreich, die sowohl Akutversorgung als auch Rehabilitation anbietet. Bei „Lymph und Lunch“ berichtete er über seine Praxiserfahrungen mit medizinischen adaptiven Kompressionssystemen (MAK): „Meiner Meinung nach gehören die medizinischen adaptiven Kompressionsversorgungen zu den fortschrittlichsten Entwicklungen der letzten Jahre in der Lymphologie. Nach Einweisung durch das Fachpersonal sind sie für die Patienten leicht anzulegen und können flexibel nachjustiert werden. Sie sind die optimale Alternative zur Kompressionsbandagierung und erleichtern den Pflegeaufwand immens.“

Bisher sind zwei Systeme am deutschen Markt verordnungsfähig, unter anderem das circaid Produkt-Portfolio von medi.

Genetische Ursachen des primärem Lymphödems

Primäre Lymphödeme sind behandel-, jedoch nicht heilbar! „Das primäre Lymphödem ist eine erblich bedingte Fehlbildung des Lymphgefäßsystems, das durch Mutationen einzelner Gene oder durch chromosomale Aberrationen entstehen kann“, erklärt Dr. Dr. René Hägerling, wissenschaftlicher Leiter von „Lymph und Lunch“ und Leiter der Abteilung ‘Lymphovaskuläre Medizin und Translationale 3D-Histopathologie' an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Um diesen genetischen Ursachen auf den Grund zu gehen, gibt es mittlerweile Entwicklungen und Techniken in der Molekulargenetik und der 3D-histologischen Diagnostik. Die neuesten wissenschaftlichen Ergebnisse stellte Dr. Dr. Hägerling in seinem Vortrag vor: In den vergangenen Jahren konnten Gene identifiziert werden, deren Mutationen mit Lymphödemen oder Lymphgefäßerkrankungen assoziiert sind. Ebenso seltene Erkrankungen, die mit einem primären Lymphödem in Verbindung stehen, wie das Emberger-, Hennekam- oder Noonan-Syndrom. Dr. Dr. Hägerling: „Gerade für Paare mit Kinderwunsch, bei denen in der Familie primäre Lymphödeme diagnostiziert wurden, sind Beratung, Gentests und Pränataldiagnostik entscheidend. Mittlerweile wird die Gendiagnostik in den meisten Fällen auch von den Krankenkassen übernommen. Wir müssen dringend weiter zu Ursachen und Formen forschen – um mehr Transparenz und Aufklärung für Lymphödem-Patienten zu erreichen.“

Die Zukunft unserer Gesundheitsberufe: Auf dem Weg in die Professionalisierung

„Im Medizinstudium spielt die Lymphologie nur eine sehr untergeordnete Rolle und ist keine Pflichtveranstaltung. Dieses fachliche Defizit muss sich ändern. Die Lymphologie gehört in die Pflichtvorlesung aller Medizinstudenten“, fordert Dr. Simon Classen, ärztlicher Direktor Kerckhoff-Klinik GmbH und Direktor Abteilung Gefäßchirurgie Herz-, Lungen-, Gefäß- und Rheumazentrum an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Die Konsequenzen eines Studiums ohne Lymphologie sind offensichtlich:

  • Wird das Fach nicht studentisch gelehrt, gibt es keinen ärztlichen Nachwuchs.
  • Ohne ärztlichen Nachwuchs findet das Thema keine Präsenz in Wissenschaft, Forschung und Lehre.
  • Dieses mangelnde Wissen kann die Behandlung von Lip- und Lymphödem-Patienten verzögern oder aber die Belastung bei Betroffenen und Fachpersonal erhöhen.


Ähnlich sieht es Kerstin Waldvogel-Röcker, die in ihrem Vortrag vermehrt auf die Professionalisierung der Physiotherapie eingeht. Die Geschäftsführerin des Therapiezentrums Waldheim in Hannover erklärt: „In Deutschland gilt die Physiotherapie immer noch als ein parawissenschaftlicher ‚Heilhilfsberuf’. Unsere Kollegen im Ausland sind hier klar weiter! Wir in Deutschland müssen auch in der Physiotherapie nach dem Grundsatz der evidenzbasierten Praxis arbeiten. Weshalb? Um interdisziplinäre Therapiekonzepte zu entwickeln und Methoden wissenschaftlich auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen. Nur so können wir die Behandlung unserer Patienten optimieren.“

Ein erster Schritt zu mehr Professionalität ist bereits erfolgt: Seit circa 15 Jahren können nach dem Staatsexamen Bachelor und Masterabschlüsse im Bereich der Physiotherapie erlangt werden.  Derzeit kann an 14 Hochschulen in zehn Bundesländern Physiotherapie studiert werden. (2) Kerstin Waldvogel-Röcker ist überzeugt: „Die Physiotherapie muss eine richtige Profession werden, um auch ärztliche Kollegen zu entlasten und interdisziplinär stärker zusammenzuarbeiten – zum Wohl der Patienten.“

„Die Digitalisierung gelingt nur mit einem Paradigmenwechsel!“

Den Abschluss der virtuellen Veranstaltung gestaltete Keynote-Speaker Prof. Dr. David Matusiewicz mit seinem Impulsvortrag zur Digitalisierung des Gesundheitswesens. „Wir müssen die Digitalisierung als eine riesige Chance für unsere eigene Gesundheit begreifen und dürfen nicht in der Vergangenheit verharren“, appelliert der Experte. „Die Gesellschaft und Politik muss radikal umdenken. Wir brauchen die technischen Mittel, aber – viel wichtiger – ein digitales Mindset und müssen offen für Veränderungen sein. Wir Deutschen tendieren stark dazu, zu perfektionistisch zu sein. Das steht uns im Weg. Wir müssen Fehler und Scheitern zulassen!“

Anders als aktuell darf das Gesundheitswesen der Zukunft nicht mehr darauf ausgerichtet sein, Krankheiten zu behandeln. Im Vordergrund muss stehen, Gesundheit zu stärken und zu erhalten. „Dann hat unser Gesundheitswesen seinen Namen auch verdient“, erklärt der Digitalisierungsexperte. „Begriffe wie ‚gesund’ und ‚krank’ werden komplett neu überdacht und definiert werden müssen. Medizinische Daten werden zukünftig früher auf mögliche Erkrankungen und Gefährdungen hinweisen – im besten Fall benötigen wir keine ärztliche Behandlung mehr. Wir müssen verstehen, dass die Digitalisierung uns bessere Standards in der Medizin ermöglicht – was zu aufgeklärteren Patienten und individuelleren Therapiemöglichkeiten führt. Es geht darum, die analoge Welt jetzt sinnvoll um digitale Komponenten zu erweitern, sodass in Zukunft beides seine Daseinsberechtigung nebeneinander erfährt.“

Quellen:

Herberger K, Blome C, Heyer K, Ellis F, Münter KC, Augustin M.: Quality of life in patients with primary and secondary lymphedema in the community. Wound Repair Regen. 2017 May;25(3):466-473.

Deutscher Verband für Physiotherapie (ZVK) e.V., Studium Physiotherapie. Online veröffentlicht unter: www.physio-deutschland.de/fachkreise/beruf-und-bildung/studium.html (Letzter Zugriff: 7.12.2022).

Surftipps:

www.medi.de/fachhandel
www.medi.de/veranstaltungen
www.medi.de/fachhandel/weiterbildung/anmeldung
www.medi.de/digitale-anwendungen/diga-companion-patella
www.medi.de/arzt/weiterbildung/fortbildung/
www.medi.de/arzt/
www.medi.de/arzt/therapietipps/lipoedemtherapie-lymphoedemtherapie/
www.medi.de/diagnose-therapie/lymphoedem/
www.medi.de/diagnose-therapie/lipoedem/
www.medi.biz/circaid

Zweckbestimmungen:

circaid® Versorgungen: Die Kompressionsversorgung dient bei Patienten mit Venen- und Lympherkrankungen zur Kompression des betroffenen Körperteils.

medi – ich fühl mich besser. Für das Unternehmen medi leisten am Standort Bayreuth rund 1.800 Mitarbeiter einen maßgeblichen Beitrag, dass Menschen sich besser fühlen (weltweit rund 3.000). Das Ziel ist es, Anwendern und Patienten maximale Therapieerfolge im medizinischen Bereich (medi Medical) und darüber hinaus ein einzigartiges Körpergefühl im Sport- und Fashion-Segment (CEP und ITEM m6) zu ermöglichen. Die Leistungspalette von medi Medical umfasst medizinische Kompressionsstrümpfe, adaptive Kompressionsversorgungen, Bandagen, Orthesen, Thromboseprophylaxestrümpfe, Kompressionsbekleidung, orthopädische Einlagen und digitale Gesundheitslösungen. Zudem fließt die langjährige Erfahrung im Bereich der Kompressionstechnologie auch in die Entwicklung von Sport- und Fashion-Produkten mit ein. Der Grundstein für das international erfolgreiche Unternehmen wurde 1951 in Bayreuth gelegt. Heute gilt medi als einer der führenden Hersteller medizinischer Hilfsmittel und liefert mit einem Netzwerk aus Distributoren sowie eigenen Niederlassungen in über 90 Länder der Welt.www.medi.de, www.item-m6.com, www.cepsports.com

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