Interview mit Barbara Wessels vom Sanitätshaus Arnold
„Wow – Endlich etwas Buntes – mit Mustern und Farben“
Barbara Wessels ist selbst Lip-Lymphödem-Patientin und führt mit ihrem Mann seit 2007 das Sanitätshaus Arnold in Leonberg. Seit 2012 leitet sie das hauseigene Lymphkompetenzzentrum.
Die Expertin für die Versorgung von Venen- und Ödempatienten teilt gerne ihre eigenen Erfahrungen in der Kompressionstherapie und motiviert Patient:innen, sich für Trendfarben zu entscheiden. Erfahren Sie von Barbara Wessels, wie modische Kompressionsstrümpfe Patient:innen für die Therapie motivieren und welche Marketing-Aktionen sich eignen, damit diese wichtige Botschaft garantiert bei Ihrer Zielgruppe ankommt. Lesen Sie zudem, wie sich Experten zu Produkt-Neuigkeiten im Bereich Flachstrick auf dem Laufenden halten.
Frau Wessels, wie nehmen Ihre Kundinnen die neuen Fashion-Elemente an?
„Sie sind richtig begeistert. Das ist einfach etwas ganz Anderes und in sich Verspieltes. Wenn unsere Kund:innen die verschiedenen Muster und Farben zum ersten Mal sehen, sagen sie zum Beispiel ,Wow‘, ,Toll‘ oder ,Endlich einmal etwas Buntes – mit Mustern und Farben‘. Ich selbst trage alle drei Muster sehr gerne, die Muster „Ornaments“ und „Crosses“ in der Farbe Beere und das Muster „Animal“ in Grau. Sie lassen sich sehr gut zu unterschiedlicher Kleidung kombinieren. Vor allem, wenn man eher gedeckte Farben trägt, sind die Fashion-Elemente ein echter Hingucker.“
Wie haben Sie Ihre Kund:innen auf das neue Angebot aufmerksam gemacht?
„In diesem Fall gab es eine Veranstaltung, zu der wir unsere Flachstrick-Kund:innen eingeladen und auch eine Zeitungsanzeige geschalten haben. Ich informierte mit einem Vortrag zum Leben mit Lip- und Lymphödem und wir hatten einen auf diesem Gebiet sehr erfahrenen Arzt vor Ort. Der Höhepunkt war aber die Modenschau zu den Fashion-Elementen mit vier betroffenen Patient:innen, darunter auch einem Mann. Als sie die Designs in verschiedenen Outfits präsentierten, war überall nur noch ein Raunen im Publikum zu hören. Man hat sofort gemerkt, dass die Fashion-Elemente richtig gut ankommen – kein Wunder, denn sie sind eine echte Neuheit in der Flachstrick-Versorgung. Besonders positiv fanden unsere Kund:innen, dass die Beine in den Mustern schlanker wirken und dass sie sehen konnten, zu welcher Kleidung sich die Muster kombinieren lassen. Wir haben beispielsweise zu „Animal“ Alltags-Outfits gezeigt und „Crosses“ in Business-Looks integriert. Bei der Präsentation des Musters „Ornaments“ mit Abendkleidung war die Begeisterung besonders groß.“
Wie sind Ihre Erfahrungen mit Veranstaltungen wie beispielsweise einer Modenschau zu den neuen Fashion-Elementen?
„Wir führen regelmäßig Veranstaltungen durch, auch in Kombination mit dem Lymphnetz-Schwaben e. V. Meist nehmen zwischen 30 bis 50 Kunden teil. Das ist aus unserer Sicht ein großer Erfolg, denn für die Patient:innen bedeutet es, dass sie mutig sind und sich aus der Anonymität heraus bewegen. Sie geben uns Feedback, dass sie diese Veranstaltungen sehr schätzen, da sie sich mit anderen Betroffenen aus der Region zu den verschiedenen Aspekten ihrer Krankheit austauschen können. Der Vorteil speziell von Modenschauen ist, dass man den Patient:innen zeigen kann, mit welcher Kleidung sich die verschiedenen Farben und Muster der Kompressionsversorgung kombinieren lassen. Sie können sich das Ergebnis bildlich vorstellen.“
Welche Erfahrungen haben Sie mit den medi Lymph-Seminaren gemacht?
„Nur Gute! Manchmal kommen mir in solchen Veranstaltungen richtige ‚Aha-Effekte‘, zum Beispiel, dass ich anstatt einer Versorgung, die aus Caprihose und Kniestrümpfen besteht, auch eine Radlerhose mit Oberschenkelstrümpfen empfehlen kann. Die Seminare informieren über Neuheiten, zum Beispiel über Zusätze und deren Anwendung oder über Veränderungen in der Versorgung. Auf diesen Austausch möchte ich nicht verzichten.“
Frau Wessels, wann und warum haben Sie sich auf die lymphologische Kompressionsversorgung spezialisiert?
„Das war im Jahr 2009 / 2010. Anlass war einerseits, dass ich selbst betroffen bin, da bei mir 2006 ein Lip-Lymphödem diagnostiziert wurde und ich seitdem die Komplexe Physikalische Entstauungstherapie erhalte. Andererseits haben wir heute mehr Flachstrick-Kund:innen, die sich gerne mit mir über diese Krankheit austauschen. Uns war es wichtig, eine Anlaufstelle für Patient:innen mit Lip- oder Lymphödem zu bieten. Es gibt heute nur wenige Fachärzt:innen in diesem Bereich und die nächste Fachklinik ist 200 Kilometer von Leonberg entfernt. Das Thema hat bei uns in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen, sodass wir 2012 ein eigenes, 200 Quadratmeter großes Venen- und Lymphzentrum neben unserem Haupthaus gegründet haben.“
Welche Rolle spielt die Kundenbindung bei Ödempatient:innen nach der Erstversorgung?
„Sie ist sehr wichtig, damit Patient:innen ihre Therapie konsequent verfolgen und zu uns ins Sanitätshaus kommen. Wir halten engen, persönlichen Kontakt zu unseren Kund:innen. Sie werden halbjährlich informiert, dass sie Anspruch auf eine neue Bestrumpfung haben, und wir laden sie telefonisch zu Passformkontrollen ein. Bei jeder Versorgung prüfen wir, wie es mit dem Anziehen klappt. Wir bieten unseren Kund:innen auch an, regelmäßig zu Umfangskontrollen zu kommen. Hier nutzen wir das Programm LymphVis zur Volumenberechnung, sodass sie vierteljährlich sehen, was sich wie bei ihnen geändert hat. Das Angebot kommt sehr gut an, denn anhand dieser Messungen wird deutlich, was passiert, wenn sie ihre Kompressionsbestrumpfung täglich tragen oder zur Lymphdrainage gehen. Dieses Tool eignet sich sehr gut zur Kundenbindung. Wir sind auch Mitbegründer vom Lymphnetz-Schwaben e. V., an das eine Selbsthilfegruppe angegliedert ist. So können sich die Patient:innen untereinander austauschen. Es gibt Kunden, die sehr am Thema interessiert sind und regelmäßig an den Lymphnetz-Sitzungen teilnehmen, und es gibt Kund:innen, die wir besonders intensiv betreuen müssen, da sie sonst ihre Therapie abbrechen. Vor allem Letztere brauchen eine persönliche Betreuung. Wir rufen daher unsere Kund:innen in gewissen Abständen an und fragen nach, wie es ihnen mit ihrer Versorgung geht.“
Welchen Herausforderungen begegnen Sie im Alltag?
„Die Herausforderung ist es, den Kundinnen und Kunden gerecht zu werden, denn oft müssen wir viel Aufklärungsarbeit leisten. Viele Patient:innen kennen zwar ihre Diagnose, wissen aber nicht, was sie wirklich bedeutet. Es gibt Patient:innen, die mit einem Rezept für flachgestrickte Strümpfe zu uns kommen, aber noch nie etwas von Entstauung und manueller Lymphdrainage gehört haben. Da versuchen wir die Ärzt:innen zu überzeugen, dass die Entstauungstherapie für diese Patient:innen ein Muss ist. Andere Patient:innen wiederum kommen mit einem Rezept für rundgestrickte Strümpfe und benötigen aber aufgrund ihres Ödems eine flachgestrickte Versorgung. Ebenso kommt es vor, dass die Krankenkasse nachfragt, ob nicht rundgestrickte Strümpfe für einen Ödempatient:innen ausreichen. Wir verwenden manchmal viel Zeit darauf, zwischen Patient:in, Ärzt:in und Krankenkasse zu vermitteln.“
Wie motivieren Sie Ihre Kundinnen und Kunden dazu, die Kompressionsversorgung regelmäßig zu tragen?
„Das persönliche Gespräch ist ein Schlüsselfaktor. Die meisten Patient:innen fragen mich, wie es mir ergangen ist, als ich meine erste Kompressionsversorgung bekommen habe und wie ich meine Strümpfe empfinde. Ihnen gebe ich meine Erfahrungen weiter. Für mich ist meine Kompressionsversorgung wie eine zweite Haut, die mir sehr gut tut. Ohne sie hätte ich starke Beschwerden. Wir haben außerdem eine Kollegin, die ein Lipödem hat. Sie hat ebenfalls positive Erfahrungen mit der Kompressionsversorgung gemacht und kann unsere Kund:innen überzeugen, diese regelmäßig zu tragen. Es kommt häufig vor, dass wir ihnen zeigen, dass wir die Strümpfe auch tragen und sehr gut damit zurechtkommen. Das motiviert natürlich. Auch die Umfangsmessung ist ein Motivationsfaktor für unsere Kunden."
Welche Tipps geben Sie Kund:innen für den Alltag?
„Sie sollten die Kompressionsversorgung morgens anziehen und den ganzen Tag tragen. Ich habe gute Erfahrungen mit zweiteiligen Versorgungen gemacht, denn so kann ich abends mal ein Teil ausziehen und die Beine sind dennoch bestrumpft. Bewegung ist für Menschen mit Lip- oder Lymphödem besonders wichtig. Aquajogging, Walking oder Fitnesstraining können fit halten. Ansonsten verweise ich gerne auf unser Lymphnetz. Dessen Selbsthilfegruppe hat eine Sportgruppe und veranstaltet monatliche Treffen, in denen Alltagstipps gegeben werden, zum Beispiel auch zur Ernährung. Einmal im Jahr berichten meine Kollegin und ich in einem Vortrag über unser Leben mit Lip- beziehungsweise Lymphödem."
Wie reagieren Ihre Patient:innen auf die Vielfalt an Trendfarben und Mustern im Flachstrickbereich?
„Sie reagieren sehr gut auf das Angebot von Trendfarben und Mustern. Zudem sehen sie, dass wir selbst diese Vielfalt nutzen. Zum Beispiel trage ich im Sommer gerne Shorts mit Kompressionsstrümpfen. So zeigen wir unseren Kund:innen, dass sie sich nicht mit Kompression verstecken müssen. Viele von ihnen sind überrascht, wie modern die Versorgungen heute aussehen. Bei unseren Kund:innen kommen vor allem Kirschrot, Anthrazit und Aqua an. Bei den Mustern liegen Pyramids und Ribs weit vorn, also das Pyramiden- und das Streifen-Muster. Die Scheu vor dem ,Oma-Strumpf‘ ist schnell genommen, wenn unsere Kund:innen die Farben und Muster im Flachstrickbereich sehen."
Welchen Einfluss haben Ihrer Meinung nach nichtmedizinische Zusätze wie Trendfarben, Muster oder das Po-Forming-Leibteil für die Compliance der Patient:innen?
„Diese Zusätze sind sehr wichtig für die Therapietreue, weil viele Kund:innen auch modebewusst sind und gerne bei ihren Outfits die Farben variieren. Sie möchten sich in ihrer Haut wohlfühlen und Selbstbewusstsein ausstrahlen. Das Po-Forming ist ein begehrter Zusatz. Eine Kundin von uns, eine modebewusste Schneiderin, war zu Tränen gerührt, als sie ihre Versorgung mit Po-Forming anprobiert hat. Sie trägt wieder regelmäßig Stoffhosen über ihrer Kompressionsversorgung. Ich selbst ziehe eines meiner Lieblingskleider nur mit meiner Strumpfhose mit Po-Forming-Zusatz an. Das heißt, Zusätze tragen dazu bei, dass sich Patient:innen besser fühlen. Und wer sich mit seiner Versorgung gut fühlt, trägt sie auch regelmäßig.“
Welche Tipps haben Sie für Ihre Kolleg:innen im Umgang mit dem Thema Zuzahlung?
„Mein Tipp ist, dass die Preise für Zusätze wie das Po-Forming immer angemessen sein sollten. Außerdem ist es wichtig, im Beratungsgespräch ausführlich die Versorgungsmöglichkeiten und ihre Vorteile vorzustellen, gerade wenn es um private Aufzahlungen geht.“
Wie argumentieren Sie private Aufzahlungen gegenüber Ihren Kund:innen?
„Beim Po-Forming erkläre ich, dass der Zusatz aufwändig eingearbeitet wird und ich ihn beim Hersteller bezahlen muss. Die Krankenkasse übernimmt die Kosten nicht, da es kein medizinischer, sondern ein kosmetischer Zusatz ist.“
Wie wichtig sind für Sie Weiterbildungen in der lymphologischen Versorgung?
„Weiterbildungen sind uns sehr wichtig. Wir besuchen regelmäßig die medi Seminare, zum Beispiel die vier verschiedenen Lymphologie-Kurse. Außerdem gehen wir zu Lymphkongressen, denn der Erfahrungsaustausch mit anderen Kolleg:innen aus verschiedenen Bundesländern ist uns sehr wichtig. Ein- bis zweimal im Jahr haben wir für acht Stunden einen Lymph-Coach bei uns im Haus. Er bildet uns weiter und geht gezielt auf die Bedürfnisse unseres Hauses ein.“
Kennen Sie das Freiverkaufsseminar von medi?
„Wir buchen dieses hilfreiche Seminar gern exklusiv für uns, damit es maßgeschneidert auf unser Sanitätshaus abgestimmt ist. Eine Trainerin führt in unserem Haus das Verkaufstraining mit allen Mitarbeitenden durch. Darin geht sie zum Beispiel auf die nutzenorientierte Argumentation und Zusatzverkäufe ein.“
Frau Wessels, wir bedanken uns für das Gespräch.
Highlights
Muster und Farben für die Ödemtherapie
Produkt-Tipp
Varianten und Ausführungen für die Kompressionsversorgung
Produktwissen
Digitale Maßblätter Formvorlagen für eine individuelle Patientenversorgung