Mit ihren Beiträgen rund um ihre chronische Erkrankung macht Lipödem-Patientin Natalie Stark sich und anderen Mut
Sie nimmt die Dinge gerne selbst in die Hand: Natalie Stark, Lipödem-Patientin und Pinterest Marketing Beraterin, gründete 2017 den ersten deutschen Lipödem Podcast. Hier macht sie nicht nur Gleichgesinnten Mut, sondern auch sich selbst. In Interviews mit Experten und Betroffenen berichtet sie von ihren Erfahrungen mit der chronischen Erkrankung Lipödem und zeigt, wie Selbstmanagement funktionieren kann. Alles unter dem Motto: „Für ein gutes Leben mit Lipödem“. Seit Juli 2019 bekommt sie Unterstützung von Bloggerin Caroline Sprott. Unter www.derlipoedempodcast.de plaudern die beiden Lipödem-Patientinnen mit Leichtigkeit und Freude für die Gesundheit. Auf ihrem Blog www.mindbodylife.de unterstützt Natalie Betroffene zudem durch Mentoring-Möglichkeiten oder Online-Kurse. Im Interview erzählt die 35-Jährige von ihrem Weg zu einem positiven Umgang mit sich selbst, ihrem Lipödem und ihrer Therapie.
Frau Stark, mit 19 Jahren wurde bei Ihnen die Diagnose Lipödem gestellt. Welche Gedanken gingen Ihnen damals durch den Kopf?
„Ich dachte: ‚Das habe ich nicht! Damit will ich nichts zu tun haben!‘ Mit der Diagnose Lipödem ging ich 15 Jahre lang sehr verschlossen um. Erst durch meinen eigenen Podcast und das Bloggen konnte ich mich anderen mehr öffnen – und vor allem mir selbst! Der Podcast ist für mich eine Selbsttherapie, eine sehr erfolgreiche.“
Was inspirierte Sie zu Ihrem Blog und wie finden Sie Ihre Themen?
„Es gibt noch immer zu wenig Ursachenforschung zum Thema Lipödem. Ich möchte so viel Wissen und Erfahrungen von Experten und Betroffenen wie möglich sammeln, um Krankheitsmuster und -ursachen besser zu verstehen. Zu den Inhalten inspirieren mich Artikel, Posts oder Begegnungen – online sowie offline. Ich wünsche mir, dass die Nutzerinnen sich nach dem Hören meiner Podcast-Folgen gestärkt fühlen. Das Lipödem kann die Gefühlswelt auf den Kopf stellen und das Selbstwertgefühl beeinträchtigen. Mein großes Ziel ist, Betroffene dabei zu unterstützen, wieder mehr Leichtigkeit in ihr Leben zu bringen und zu sich selbst zu finden. Die E-Mails von meinen Hörerinnen bestärken mich in meiner Arbeit. Sie berichten, wie sehr ihnen der Podcast hilft, Hoffnung gibt oder sie positiv stimmt.“
Nach welchen Kriterien wählen Sie Ihre Interview-Partner aus?
„Sie sollen zum Motto meines Blogs passen. Zum Beispiel erzählen Betroffene davon, wie sie mit Lipödem modeln, sich stylish kleiden, Wassergymnastik-Kurse geben, Marathon laufen, Abnehmerfolge erzielen oder die Kompression in ihren Alltag integrieren. Ich spreche gerne mit Experten zur Ursachenforschung, über Liposuktion, Ernährung, Lymphdrainage oder unterschiedliche Kompressionsversorgungen. Meine Herzensthemen sind alternative Heilmethoden wie Ayurveda. Die Podcast-Folgen, in denen wir über Entspannung und Stressreduktion sprechen oder sogar meditieren, gefallen mir besonders.“
Haben die vielen Erfahrungen und Eindrücke, die Ihre Interview-Partner mit Ihnen teilen, Sie selbst und Ihre Sichtweisen verändert?
„Auf jeden Fall! Ich konnte sehr viel Klarheit und Selbstbewusstsein gewinnen. Mein Podcast hat den Untertitel ‚für ein gutes Leben mit Lipödem‘. Doch ich habe ihn nicht gestartet, weil ich das Leben mit Lipödem als gut empfand, sondern um mich dahin zu entwickeln. Ich möchte mich – mit meiner Erkrankung – wohl und wertvoll fühlen. Das gelingt mir inzwischen recht häufig. Denn gezielte Stressreduzierung und Ruhe führen zu einer inneren Ausgeglichenheit, durch die ich wiederum weniger Schmerzen habe.“
Gibt es ein Gespräch, das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
„Das Gespräch mit Waltraud Scheller von www.soultracks.de änderte für mich alles. Unsere Krankheitsgeschichten ähneln sich. Nachdem sie 14 Jahre unglaublich viel ausprobierte, ist sie auf Ayurveda gestoßen. Das bestärkte sie so sehr, dass sie sich mittlerweile als geheilt empfindet. Sechs Wochen nach dem Interview absolvierte ich selbst eine zweiwöchige Ayurveda-Kur auf Sri Lanka – und zum ersten Mal hat sich mein Wadenumfang deutlich reduziert. Die Kur tat mir so gut, dass ich Ende 2019 für drei Monate in ein Ayurveda-Haus auf derselben Insel zog. Zurück in Deutschland habe ich direkt eine Ausbildung zur Ayurveda-Ernährungsberaterin gemacht, um noch tiefer in dieses Thema einzusteigen und anderen betroffenen Frauen persönlich helfen zu können.“
Was ist für Sie der Kern der Ayurveda-Kur?
„Bei einer richtigen Ayurveda-Kur spielen Entspannung und Ruhe eine zentrale Rolle. Es gibt fünf bis sieben Anwendungen am Tag: Der ayurvedische Stirnölguss mit heilenden Kräutern beispielsweise beruhigt, harmonisiert und hilft, klare Gedanken zu fassen. Dreimal täglich wird außerdem sehr langsam und bewusst gegessen. Dabei dauert jede Mahlzeit etwa 45 bis 60 Minuten und besteht aus mehreren Gängen.“
Haben Ihre Ayurveda-Erfahrungen auch Ihren Ernährungsstil im Alltag verändert?
„Ich esse jetzt in der Regel dreimal am Tag warm und kaum noch kalte Mahlzeiten: Zum Frühstück zum Beispiel Porridge mit warmem Obst und, mittags koche ich meist Reis, Buchweizen, Hirse oder Quinoa in Kombination mit frischem Gemüse. Manchmal gibt es auch Hühnchen oder weißen Fisch. Abends möchte ich gerne nur eine Suppe essen, das gelingt mir jedoch nicht immer. Insgesamt lebe ich nach der 80-20-Regel: 80 Prozent der Lebensmittel auf dem Speiseplan sind ayurvedakonform, 20 Prozent dürfen abweichen. Das bedeutet für mich weniger Zwang und mehr Freiheiten als bei einer herkömmlichen Diät. Im Ayurveda geht es neben der Ernährung um einen ganzheitlichen Lebensstil – für mehr Balance.“
Sehen Sie Bewegung auch als wichtigen Therapiebaustein an?
„Absolut! Ich arbeite viel am PC, das spüre ich sehr in den Beinen, die sich Bewegung wünschen. Ich trainiere mehrmals in der Woche auf meinem Trampolin und mache ein- bis zweimal pro Woche Yoga. Im Sommer gehe ich auch gern früh morgens schwimmen. Da ich kein Auto besitze, bin ich oft zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs.“
Flachgestrickte medizinische Kompressionsstrümpfe sind Teil Ihrer Therapie. Worauf legen Sie dabei besonderen Wert?
„Ich habe eine geteilte Versorgung aus Strümpfen und Radlerhose. Die Kompression muss bequem sein. Sie soll weder am Bauch noch in der Kniekehle drücken oder am Übergang von Bein zu Fuß einschneiden.“
Was wünschen Sie sich für die Ödemtherapie?
„Wir müssen Betroffenen beibringen, ihr Lymphsystem eigenständig und unabhängig von Zeit, Ort und anderen Personen in Schwung anzuregen: Ich wünsche mir Kurse zu Lymph- und Venengymnastik, Lymph-Yoga, Ayurveda und Ernährung. Um beispielsweise die Lymphdrainage möglichst gut selbst zu unterstützen, können spezielle Handgriffe und Tipps veranschaulicht werden – online oder offline. Ich habe mir inzwischen ein Programm zusammengestellt, mit dem ich viel selbst Hand anlege und so unabhängiger bin. Die Aufklärung dazu sollte schon direkt nach der Diagnose beim Arzt erfolgen. Dann sehe ich große Chancen für das Thema Selbstmanagement.“
Welche Chancen bieten digitale Tools wie Podcasts und Apps für Ödempatienten?
„Betroffene können sich damit einfach und ortsunabhängig mit Gleichgesinnten austauschen und vernetzen. Die digitalen Tools bieten gebündelt hilfreiche Informationen – jederzeit von unterwegs aufrufbar – und machen so flexibler und unabhängiger.“
Welche persönliche Botschaft haben Sie für andere Ödempatienten?
„Dein Körper ist der beste Wegweiser für ein gesundes und glückliches Leben in Balance. Denke nicht, dass du aufgrund des Lip- oder Lymphödems weniger wert bist und schränke dich deswegen nicht ein. Hat das Lipödem in deinem Leben das Zepter in der Hand, werde wieder selbst der Autor deines Drehbuchs, aber vergiss nie: Veränderung braucht Zeit! Nimm sie dir – du bist es wert!“
Frau Stark, vielen Dank für das Gespräch!
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